Gastspiel in Fürth: „Eingeschlossene Gesellschaft“ entblößt den Lehrkörper


Foto: Hermann Posch

Am 25. und 26. Oktober 2025 gastierte das Münchner Ensemble "Theaterlust" mit Jan Weilers scharfzüngiger Gesellschaftssatire "Eingeschlossene Gesellschaft" im Stadttheater Fürth. Unter der Regie von Thomas Luft trifft eine kleine Explosion im Lehrerzimmer auf die menschlichen Abgründe der Beteiligten – Wut, Macht, Missgeschicke und moralische Fehltritte inklusive. Etwa drei Viertel der Plätze waren besetzt, das Publikum überwiegend älteren Semesters, was zum Humor des Stücks gut passte. Kleine organisatorische Schwächen wie das fehlende Programmheft und der Nacheinlass im Parkett sorgten jedoch für gelegentliche Ablenkung.


Ein einziger Punkt...

Ein einziger Punkt trennt Fabian Prohaska vom Abitur – und plötzlich eskaliert das Lehrerzimmer. Sein Vater Manfred Prohaska stürmt wütend mit einer Pistole in den Raum, um den strikt nach Regeln urteilenden Lateinlehrer Engelhardt zur Rede zu stellen. Was zunächst wie eine absurde Komödie wirkt, wird zum Kammerspiel über Macht, Moral und menschliche Schwächen.

Das Stück stellt Fragen, die über das konkrete Szenario hinausgehen: Wie viel Nähe dürfen Lehrer zulassen? Wie stark darf man Schüler bewerten? Wo beginnt Verantwortung – und wo endet sie? Nach und nach fallen die Masken: Korruption, Machtspiele, Affären und Fehlverhalten offenbaren die Unzulänglichkeiten der Erwachsenen. Dabei bleibt der Ton überwiegend humorvoll, nur gelegentlich driftet der Humor in derbere Regionen ab, ohne jedoch die Grundstimmung zu zerstören.


Früh sein lohnt sich

Foto: Hermann Posch

Regisseur Thomas Luft nutzt die Bühnenversion des Films, um das Geschehen dicht, temporeich und übersichtlich zu präsentieren. Schon vor Vorstellungsbeginn sitzen die Lehrkräfte hinter Bücherregalen auf der Bühne, lesen, sortieren und erledigen ihre Routinetätigkeiten. Kleine Details wie Engelhardt, der sich seinen Rücken und Hintern mit Schmerzsalbe eincremt, sorgen für Lacher, ohne das Vorspiel zu überfrachten.

Die Bühne von Raymond Gantner funktioniert als funktionales Lehrerzimmer. Nach wenigen Minuten verschieben sich die Regale, wodurch das Ensemble sichtbar wird und das Kammerspiel an Dynamik gewinnt. Schwächen gibt es akustisch: Ohne Mikrofone waren einige Dialoge schwer verständlich, besonders zu Beginn. Für ältere Zuschauer könnte das ein Problem sein, auch wenn eine Induktionsanlage zur Verfügung steht. Das Licht bleibt weitgehend neutral, was den Büroalltag der Lehrer unterstreicht, aber visuell wenig Abwechslung bietet.


Eingespieltes Ensemble

Das Ensemble von Theaterlust München funktioniert als eingespieltes Team – fast wie ein echtes Lehrerzimmer: jeder Typ erkennbar, jeder mit seinen Eigenheiten, und alle tragen dazu bei, dass das Chaos glaubwürdig wirkt. Konstantin Moreth dominiert den Abend als Vater Manfred Prohaska. Mit markanter Stimme, starker Präsenz und beeindruckender Emotionalität schafft er es, Wut, Verletzlichkeit und verzweifelte Liebe zum Sohn in einem einzigen Blick zu vereinen. Kein Wunder, dass er am Ende den lautesten Applaus und Jubel bekommt. Marget Flach als Referendarin Bettina Schuster überzeugt durch ihre durchgehende Präsenz. Selbst wenn sie nicht im Mittelpunkt steht, bleibt sie sichtbar „in der Figur“. Ihr Spiel wirkt ehrlich, ungekünstelt – wahrscheinlich die stärkste Leistung des Abends. Felix Eitner gibt den altmodischen Lateinlehrer Klaus Engelhardt mit einer fast grotesken Hingabe an Prinzipien. Dass er sich zwischendurch buchstäblich entblößt, passt zu seiner Figur: ein Mann, der sich für moralisch unangreifbar hält und genau daran scheitert. Oliver Mirwaldt als Sportlehrer Peter Mertens hat den richtigen Mix aus Coolness und schleimiger Selbstsicherheit – man will ihn gleichzeitig mögen und schütteln. Benjamin Hirt spielt den sympathischen Holger Arndt angenehm zurückgenommen und menschlich, während Anja Klawun als Heidi Lohmann mit bewusst unsympathischer Härte brilliert – fast schon zu jung besetzt, aber stark in der Körpersprache. Johannes Schön schließlich sorgt als Chemielehrer Vogel für viele Lacher. Sein schwäbischer Dialekt klingt manchmal etwas bemüht, aber seine Energie und das Timing machen ihn zum Publikumsliebling.

Insgesamt wirken alle Figuren wie überzeichnete Karikaturen – und genau das scheint beabsichtigt. Eingeschlossene Gesellschaft will keine feinen Zwischentöne, sondern überdeutliche Spiegelbilder eines Bildungssystems, das sich selbst zu ernst nimmt.


Klischeehaft gut

Die Kostüme von Sarah Silbermann treffen den Nagel auf den Kopf: Klischeehaft, ja – aber genau im richtigen Maß. Man erkennt auf den ersten Blick, wer welchen Typ Lehrer verkörpert. Die Referendarin Schuster steckt im Cardigan, der Sportlehrer in Jogginghose, Lohmann trägt Hosenrock und rosa Weste – fast schon ein Gruß an Dolores Umbridge. Der Chemielehrer schließlich im weißen Kittel – so einfach, so effektiv.

Diese klare Typisierung hilft enorm beim schnellen Zugang zu den Figuren. Man weiß sofort, mit wem man es zu tun hat, und das Publikum kann sich ganz auf die Dialoge konzentrieren.

Die Atmosphäre bleibt über den gesamten Abend hinweg heiter, oft laut und von der Situationskomik getragen. Der Humor trifft vor allem das ältere Publikum, das beim Blick in den Zuschauerraum merklich häufiger lacht als die jüngeren Zuschauer. An manchen Stellen wird’s etwas derb – mit Körpergags, sexuellen Anspielungen und Wortwitz unterhalb der Gürtellinie – aber das Ensemble zieht’s mit so viel Spielfreude durch, dass es schwerfällt, ihnen das übel zu nehmen.

Ein besonderer Moment bleibt das Zitat von Fabians Vater:
„Ab der fünften Klasse wird den Kindern erklärt, dass sie es mit dieser oder jener Einstellung niemals zum Abitur bringen. Aber woher soll denn ein Zehnjähriger eine Einstellung haben? Das sind doch keine Brühwürfel mit gleicher Kantenlänge und gleichem Geschmack. Das sind Menschen.“
Dieser Satz sticht heraus – mitten im Trubel, mitten im Lachen. Für einen kurzen Augenblick hält das Publikum inne, bevor es wieder weiterlacht. Und genau das beschreibt diesen Abend gut: laut, temporeich, manchmal übertrieben – aber nie belanglos.


Fazit

Eingeschlossene Gesellschaft ist ein Abend für Zuschauer, die gerne lachen, über die Abgründe der Erwachsenenwelt nachdenken – und auch mal über derbe Pointen schmunzeln. Das Stück punktet mit einem spielfreudigen Ensemble, das seine Rollen klar zeichnet, und einer Inszenierung, die temporeich und übersichtlich bleibt. Die Bühne als Lehrerzimmer funktioniert als perfekt zugeschnittenes Kammerspiel, das durch Kostüme, Requisiten und kleine Details lebendig wird.

Humoristisch trifft das Stück überwiegend ältere Zuschauer: Situationskomik, spitze Dialoge und überdrehte Charaktere bringen die Älteren deutlich öfter zum Lachen als die Jugend, für die einige Gags vielleicht zu speziell sind. Wer jedoch bereit ist, sich auf die satirische Überzeichnung einzulassen, erlebt einen unterhaltsamen, durchdachten Theaterabend.

Kleine Abzüge gibt es für organisatorische Punkte: fehlendes Programmheft, Nacheinlass im Parkett, teilweise schwer verständliche Dialoge ohne Mikrofon. Dennoch überwiegt der positive Eindruck: Man verlässt das Theater gut unterhalten, mit ein paar moralischen Fragen im Gepäck – und mit einem Schmunzeln über die absurden Situationen, die doch irgendwie menschlich wirken.

Fazit: Ein solider Theaterabend mit viel Humor, pointierten Figuren und gesellschaftskritischem Unterton. Für das ältere Publikum sehr lohnenswert, für jüngere Besucher eher ein gelegentlicher Spaß, der nicht jeden Gag trifft. Mit 42 Euro für ein Gastspiel im Stadttheater Fürth ein fairer Preis.

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